Keine Toleranz gegenüber Intoleranz
Bei einem Wasserrohrbruch hilft es weder, die Tür zu schließen, noch die Luftmatratze aufzupumpen.
Rechtsradikales Gedankengut und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Das gleiche gilt aber auch für Islamismus und andere radikale und verfassungsfeindliche Weltanschauungen. Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land und wir fordern Weltoffenheit und Toleranz von jedem, der hier lebt. Die Frage "ob der Islam zu Deutschland gehört" löst im Übrigen kein einziges Problem.
Niemand in Deutschland möchte eine unkontrollierte und ungesteuerte "Masseneinwanderung". Aber das Problem der globalen Wanderungsbewegungen hört nicht auf, wenn wir unsere Grenze schließen - das wäre, als würden wir bei einem Wasserrohrbruch einfach nur die Tür zu machen. Genauso wenig können wir Millionen Menschen aus Afrika, Südosteuropa oder Asien bei uns aufnehmen, und uns einfach auf "die bunte Vielfalt" freuen. Das wäre, als würden wir das Wasser laufen lassen, und einfach die Luftmatratze aufpumpen.
Egal ob aus wirtschaftlichen Gründen, ob wegen Krieges oder individueller Verfolgung: Kein Migrant kommt in unser Land, weil es ihm zuhause zu gut ging. Und ehrlicherweise tragen wir, die westlichen Industrienationen, Mitschuld an den meisten Fluchtursachen: Durch Waffenlieferungen in Krisengebiete, durch Treibhausemissionen und Klimawandel oder durch subventionierte (Nahrungsmittel-)Exporte, die die lokale (Land-)Wirtschaft in Entwicklungsländern zerstören. Der Kampf gegen die Fluchtursachen ist die Reparatur des Wasserrohrbruches.
Und hier noch eine Botschaft an alle, die glauben, man könnte das Problem durch eine "Obergrenze" lösen: Wir sind nach Artikel 16a GG (Grundgesetz) dazu verpflichtet, Menschen in Not Asyl zu gewähren, und zwar ohne irgendeine Grenze. Darüber hinaus benötigen wir eine geregelte und bedarfsgesteuerte Zuwanderung von Fachkräften. Asylverfahren müssen fair und transparent ablaufen und vor allem massiv beschleunigt werden.
Im Zusammenhang mit dieser Diskussion lehne ich die Instrumentalisierung von Religionen ab. Fundamentalismus und Extremismus gibt es in allen Religionen, er ist grundsätzlich abzulehnen und wo möglich rechtlich zu ahnden. Radikale Islamisten und Gefährder müssen wenn möglich abgeschoben werden. Bei doppelter Staatsbürgerschaft ist in solchen Fällen ein Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft zu prüfen.
Ich selbst bin gläubig und gehe regelmäßig in den Gottesdienst. Dennoch glaube ich an die Trennung von Staat und Kirche. Wer zu Wahlkampfzwecken ankündigt, Kreuze in allen öffentlichen Gebäuden aufzuhängen, nimmt Jesus Christus für seine persönlichen Ziele in Geiselhaft. Unsere Gesellschaft ist durch christliche und jüdische Tradition geprägt, aber natürlich gehört auch der Islam zur deutschen Gegenwart, genauso wie der Buddhismus, der Hinduismus und der Atheismus.
Ich würde mir wünschen, dass wir im Rahmen dieser Debatte lernen, zwischen Toleranz und Respekt zu unterscheiden. Respekt ist ein aktiver Vorgang, er bedeutet auch Anpassung (nicht gleichzusetzen mit Assimilation, lieber Herr Erdogan):
Wer in unser Land kommt, egal aus welchem Kulturkreis muss die gewachsene Ordnung unserer Gesellschaft respektieren: Die Freiheit des Glaubens und der Meinungsäußerung, der selbstbestimmten Lebensgestaltung und der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Wer in Deutschland leben möchte, muss auch diese Werte leben - und er muss sich bemühen, unsere Sprache zu erlernen. Integration ist erster Linie eine Bringschuld desjenigen, der in unser Land kommt, keine Holschuld des Staates.
Im Gegenzug verdient jeder, der zu uns kommt, Toleranz gegenüber seiner Religion, seiner Weltanschauung und seinem Lebensentwurf. Vielfalt kann eine Bereicherung für eine Gesellschaft sein, wenn jeder seine Individualität zum Wohl der Gemeinschaft einbringt. Vielfalt ist jedoch kein Selbstzweck.